Dieter Hoffmann-Axthelm
Das Berliner
Stadthaus.
Geschichte und Typologie. 1200 bis 2010
DOM Publishers, 2011
Eine Typologie des Berliner Stadthauses zu entwerfen, scheint,
angesichts der allgemein bekannten Armut der Stadt an historischer
Bausubstanz, ein überaus kühnes Unterfangen. Der Autor weiß es, wagt
es und hält dem Skeptiker entgegen, dass mit dem Abriss eines Hauses
das Bauwerk selbst verloren geht, aber nicht notwendigerweise sein
Typ. Wird sein Typus oder werden auch nur einzelne, der ihn
kennzeichnenden Züge, in jüngeren Bauschichten bewahrt, ergibt sich
daraus eine, auch für die Berliner Verhältnisse, lohnende
Perspektive historischer Erkundung.
Ein Beispiel sind die Seiten-, Hinter- und Gartenhäuser, Höfe,
Schuppen und Remisen. Diese rückwärtige Architekturlandschaft ist
Abbild älterer Bauformen, die in Folge verschiedener
Reglementierungen und Vereinheitlichungen des Straßenbildes in den
Rückraum der Häuser abgedrängt wurden. Die heute noch zu findenden
Beispiele mögen nur hundert oder hundertfünfzig Jahre alt sein,
tradieren aber eine Baukultur, die aus dem Spätmittelalter
herüberreicht.
Es sind nicht Grundrisse und Fassaden und nicht die Nostalgie der
alten Stadt, die den Stadtplaner und Architekturkritiker bewegen.
Eingang, Flure, Höfe, Treppenhaus – das ganze Erschließungssystem
eines Hauses, das die Möglichkeiten der Begegnung, der Kommunikation
und der Abgeschiedenheit festlegt, vor allem aber das Treppenhaus,
als innerer Dreh- und Angelpunkt des häuslichen Lebens, liegen im
Zentrum der typologischen Betrachtungen.
Der Typus oder Charakter des Hauses hat seinen Feind wie seinen
Urheber im sozialen Wandel. Er geht in den sozial-uniformen
Typisierungen der Vorstädte verloren wie in den lächerlichen
aktuellen Kohabitationsprojekten von Wohnen und Auto, aber auch in
manch revolutionär anmutenden Vermischungen von Haus und Straße,
oder Hochhaus und Garten. Der Autor würde der Stadt, wenn er könnte
eine Typologie der Biegsamkeit und Atmungsfähigkeit, variantenreich,
ergänzungs- und veränderungsfähig verordnen.
Gespeist wird der ebenso luftige wie tiefgründige Streifzug in zwölf
Kapiteln durch die Berliner Baukultur aus dem in Jahrzehnten
gewachsenen stadthistorischen Archiv des Autors. Auch die nicht
besonders ambitionierten Schwarzweißaufnahmen tun dem Werk keinen
Abbruch, dienen sie doch lediglich als fotografische Stichworte und
als Beleg dafür, dass sich der größte Teil der in diesem Stadtführer
zum verbliebenen Bestand besprochenen Häuser in den Straßen Berlins
wieder finden lässt.
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